nnz nachgehakt

Eltern gegen Goliath? - Streit um Mehrkosten im Kindergarten

Mittwoch
21.09.2022, 13:29 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Elternvertreter der Kitas des JugendSozialwerks sind verzweifelt. Seit Mitte letzten Jahres bemühe man sich um eine faire und sozialverträgliche Einführung der Servicepauschale, ohne voranzukommen. Die nnz hat nachgehakt...



Erst habe man den Träger, das JugendSozialwerk Nordhausen, um Mithilfe gebeten, Servicepauschale abzuwenden, teilen die Elternvertreter mit. Man habe den Kontakt zum Stadtrat gesucht und Unterschriften gesammelt. Einen ersten Erfolg haben man erzielen können, als der Zuschuss zur Gemeinschaftsverpflegung bei der Stadtratssitzung Ende November 2021 verabschiedet wurde. Die Zusage der Stadt auf Nachfrage eines Stadtratsmitglieds bei eben jener Stadtratssitzung, der Zuschuss decke die gesamten Kosten der Träger.

Mai 2022 folgte dann die große Enttäuschung: der Träger lud im Juni zum Gespräch bezüglich der Servicepauschale ein. Der Zuschuss reiche nicht, um die Kosten zu decken. Auf Vorschlag und ausdrücklichen Wunsch der anwesenden Elternvertreter solle ein Treffen zwischen Stadt, allen Trägern und Eltern stattfinden, um einige wesentliche Punkte und auch Ungereimtheiten zu klären. "So wollten die Eltern bspw. gerne eine Auskunft haben, warum manchen Trägern mehr Geld zugeteilt wurde als anderen Trägern, weshalb es aus Sicht der Elternvertreter zu einer Ungleichbehandlung der Eltern der Stadt komme, je nach dem welche Einrichtung, die eigenen Kinder besuchen.", schreibt die Elternvertretung.

Das Treffen zwischen Stadt und allen Trägern fand statt. Die Elternvertreter habe man dabei allerdings ausgeladen, da die zu besprechenden Inhalte zu sensibel seien und die Eltern nichts angingen. Bezahlen sollen die Servicepauschale aber die Eltern.

"Das Jugendsozialwerk schickte an ihre Einrichtungen einen Brief, indem stand, dass die Servicepauschale nun zum 01.09.22 eingeführt würde. Eine Erhöhung zum 01.01.23 wurde gleich mit angekündigt. Die Elternvertreter sollten dies unterschreiben. Dies taten bei weitem nicht alle, denn es hatte keine Anhörung stattgefunden und auch die Berechnungsgrundlage wurde nicht offengelegt. Im Gegenteil übersteigen die nun geforderten Kosten sogar den Betrag, der laut Auskunft vom 22.06.2022 bei der Sitzung mit dem Träger als nicht von der Stadt gedeckter Anteil genannt wurde.", heißt in dem Schreiben der Elternvertretung.

Darüberhinaus hätten die Elternvertreter von der Stadt telefonisch die Information erhalten, dass der städtische Zuschuss beim Jugendsozialwerk auch deshalb gekürzt wurde, weil der Träger Kosten angebe, welche nicht unter die Servicepauschale fielen. Eine Prüfung der Zahlen sei den Eltern bisher verwehrt worden. "Da die Pauschale zusammen mit den Kosten für das Mittagessen gemeinsam eingezogen werden, haben die Eltern auch keine Möglichkeit den strittigen Betrag einzubehalten. Das Jugendsozialwerk wähnt sich rechtlich in Sicherheit, gibt aber keine Auskunft, worauf man sich stützt." Den Elternvertreter hingegen liege auszugsweise der „Vertrag über einen Zuschuss zur Gemeinschaftsverpflegung“, welcher zwischen Stadt und Trägern geschlossen wurde vor. Dort heißt es unter 1. Grundsätze:

„Der Zuschuss zur Gemeinschaftsverpflegung unterstützt die gleichberechtigte Teilnahme aller Kinder an den Mahlzeiten und entlastet die Eltern von einer zusätzlichen Umlage zum Elternbeitrag und den Lebensmittelkosten. Die Stadt zahlt den Zuschuss als freiwillige Leistung im Rahmen der dafür bereitgestellten Haushaltsmittel als Fehlbedarfsfinanzierung an den Träger. Für den Träger besteht kein Rechtsanspruch auf die Zuwendung sowie darüber hinaus gehende Zahlungen. Der Träger verpflichtet sich, für das technische Personal keine Umlage von den Eltern zu erheben.“

Am Ende stünden die Eltern auf verlorenen Posten. Man werde vom Träger ignoriert, das Geld einfach eingezogen. Stadt und Träger beschuldigten sich gegenseitig, leiden würden aber die Eltern, die ab nächstem Jahr nun rund 500 Euro jährlich pro Kind extra stemmen müssten, welche nicht steuerlich geltend gemacht werden können.

Wir brauchen einen Vollzuschuss
Dem Jugendsozialwerk sind weitestgehend die Hände gebunden, erklärt der stellvertretende Geschäftsführer Holger Richter auf Anfrage der nnz. Finanziell sei man gezwungen, die höheren Kosten umzulegen und rechtlich gebe es nur einen anderen Weg, dies nicht über den Essensbeitrag zu tun, namentlich eine generelle Beitragserhöhung. Diese Entscheidung sei aber eine politische, die im Stadtrat gefällt werden müsse, so Richter. Einen dritten Weg gebe es nicht, das habe man mit dem zuständigen Minsiterium bereits erörtert, eine gesonderte Ausweisung der Pauschale sei rechtlich nicht machbar.

Zudem habe er im Vorfeld bei der Stadt noch einmal um Stellungnahme gebeten, bisher aber keine Antwort erhalten. Als Träger würde man eine andere Lösung bevorzugen. „Ich kann versichern dass es kein Meeting gibt, in dem wir unseren Standpunkt nicht klar machen. Was die Träger und die Eltern jetzt bräuchten, wäre ein Vollkostenzuschuss, dass wäre in diesen Zeiten sozialpolitisch geboten. So sind wir gezwungen die Differenz zu den städtischen Zuschüssen auszugleichen“. Diese werde nicht, wie befürchtet bis zu 500 Euro betragen, sondern eher im Bereich von rund 120 Euro liegen, schätzt Richter. Nur wenn die Stadt ihre Zuschüsse im kommenden Jahr komplett streichen würde, könnten die Kosten auf bis zu 360 Euro klettern, wovon man aber im Jugendsozialwerk nicht ausgehe.

Enttäuscht zeigt sich Richter vom bisherigen Verhalten der Stadtverwaltung dennoch. Bei der entscheidenden Stadtratssitzung im vergangenen November habe die damalige Bürgermeisterin zu Protokoll gegeben, dass die im Haushalt eingeplanten Gelder für die Bezuschussung ausreichen würden. Tatsächlich habe man aber schlicht die Summe von 490.000 Euro aus dem Vorjahr beibehalten, sodass schon zu diesem Zeitpunkt hätte klar sein müssen, dass die Mittel in Anbetracht genereller Kostensteigerungen und zu erwartender Tarifanpassungen nicht ausreichen würden. „Zwischen November und Juni passierte nichts und jetzt hat sich dass bewahrheitet, was damals schon klar war“, sagt Richter.

Zudem sehe sich die private Trägerlandschaft nun ungleich behandelt. Während man selber unschöne Briefe versenden müsse, werde in den städtischen Kindergärten keine Servicepauschale erhoben, da hier die Differenz aus dem Haushalt geholt werde. Im Stadtrat sei eine Debatte zu dem Thema nun dringend nötig, denn letztlich badeten Träger und Eltern eine politische Entscheidung aus, die man selber weder zu verantworten noch gewollt habe.
Angelo Glashagel