Freitag
29.11.2024, 17:47 Uhr
Autor
red
Im noch immer recht neuen Jugendhilfeausschuss stellte gestern das Jugendamt weite Teile seines Aufgabenfeldes dar. Keine leichten Themen, von Inobhutnahmen bis zum nüchternen Zahlenwerk war viel dabei. Nicht immer ist klar, wie die Maßnahmen finanziert werden sollen…
Den Anfang machte man mit der Entwicklung und weiteren Planung für das Instrument der Inobhutnahme. Wird ein Kind aus seiner Familie herausgenommen, dann ist das stets das letzte Mittel des Jugendschutzes und meist eine vorläufige Schutzmaßnahme, die der Sicherung des Kindeswohls dienen soll.
Der Schritt kann auf bitten der Betroffenen erfolgen oder im Falle dringender Gefahr. Alkohol- und Drogenmissbrauch spielen in den Familien öfter eine Rolle oder auch schlicht Vernachlässigung des Kindeswohls. Bis zum Jahr 2019 hatte man dazu keine zentrale Anlaufstelle und nur geringe Kapazitäten, Kinder in Not auch unterzubringen.
Mit rund 50 Fällen im Jahr war der Druck hier Änderung zu schaffen auch nicht allzu hoch, das änderte sich mit Corona. Im Jahr 2020 lag der bisherige Höhepunkt der Inobhutnahmen bei über 100 Fällen, dicht auf dicht beieinander kamen mehr Kinder und Eltern an ihre Grenzen. Zur Abhilfe wurde eine eigene, vom Landratsamt betriebene Inobhutnahme-Stelle eingerichtet, aus der sich in der Folge neue Ansätze im Umgang mit dem Problem herausgebildet haben.
Heute halten die Träger der Jugendhilfe im Kreis sechs freie und sechs länger belegbare Plätze vor, um auf Notfälle reagieren zu können. Die Fallzahlen liegen nicht mehr ganz auf Corona-Niveau, sind mit rund 80 Maßnahmen im Jahr aber deutlich höher als in der Vergangenheit. Zudem steigt auch die Verweildauer in der Obhut aus verschiedenen Gründen.
Der größere Teil der Betroffenen befindet sich im Alter zwischen 14 und 18 Jahren mit rund 40 Prozent, gefolgt von der Altersklasse 6 bis 14. Inobhutnahmen in jüngeren Alter sind seltener und machen nur rund sechs Prozent der Fälle aus. Muss das Jugendamt zum letzten Mittel greifen, führt der Weg für die meisten Kinder in eine entsprechende Einrichtung, im Krankenhaus oder in Pflegefamilien kommen die Wenigsten unter. Letztere würde man gerne öfter in Anspruch nehmen, heißt es aus dem Jugendamt, aber es mangelt an potentiellen Eltern, die Willens und in der Lage sind, eine derartige Verantwortung auch auf sich zu nehmen.
Bleibt die Unterbringung in Heimen, hier drückt nicht nur die schwierige Personalsituation sondern auch die Kosten. In den letzten Jahren kannten die nur einen Weg und der führte steil nach oben, auch im laufenden Haushalt hat man wieder deutlich mehr für die Hilfe zur Erziehung außerhalb der Familie aufwenden müssen als geplant.
Um die Ausgaben kommt man nicht herum, Jugendschutz ist Pflichtaufgabe, die Betrachtung der Entwicklung der letzten Jahre zeige, dass man das bisherige Konzept fortsetzen sollte, meint man im Jugendamt.
Ein weites Feld
Inobhutnahme und Unterbringung sind aber nur ein Aspekt. Kinderbetreuung, Wirtschaftliche Jugendhilfe, Jugendarbeit und Vormundschaft stehen ebenso auf der Agenda wie die Ausarbeitung und Durchführung des Jugendförderplans, der dem Leben und Wünschen der knapp 16.500 Kinder und Jugendlichen im Kreis Rechnung tragen soll. Rund 19 Millionen Euro bringt der Kreishaushalt für das alles auf.
Mehr als Minimum?
Zum Aufgabenfeld des Jugendamtes gehört auch die Fachberatung für Kindertagesstätten und die Tagespflege. Die umfasst eine ganze Palette an Aspekten und reicht von der Umsetzung des Thüringer Bildungsplans hin zu Überlegungen zur Gestaltung der Mittagsversorgung bis zum Brandschutz, immer mit dem Ziel, die Qualität der Betreuung zu verbessern. Grundsätzlich können Träger die Kindergärten betreiben, diese Fachberatung auch selbst stemmen und an anderen Einrichtungen anbeiten, pro Kind gibt es dafür eine Pauschale von 30 Euro vom Freistaat.
In der Fülle der Aufgaben, die die Beratung mit sich bringt, reicht das eigentlich nicht mehr, so der Tenor verschiedener Träger, ändert sich nichts, müsse man die Aufgabe an den Kreis zurückgeben.
Der führt die ohnehin aus, aber eben im Moment nicht für alle 50 Kindertagesstätten in der Region. Neben Beratung und Dialog mit Hausleitungen und den Trägern an diversen Stellen organisiert man Strategieworkshops, Fachtage und Netzwerktreffen. Auskömmlich finanziert ist das alles nicht, im Moment erfülle man die gesetzlichen Vorgaben im Minimum, so die Einschätzung der Jugendamtsleitung.
Das würde man gerne ändern und mehr Personal einstellen, auch mit Blick darauf, dass die Leistung an anderer Stelle von den Trägern nicht mehr erbracht werden kann. Das aber würde beim ohnehin knappen Haushalt weiter ins Kontor schlagen. In der ersten groben Rechnung müsste der Etat von aktuell etwa 50.000 Euro auf 140.000 Euro in 2025 steigen. Wunsch Nummer Zwei wäre, den Ausbau auch auf die heilpädagogische Fachberatung auszuweiten, was noch einmal rund 100.000 Euro Mehrkosten verursachen würde.
Finanziell ein harter Brocken, zumal völlig unklar ist, was auf der Landesseite passiert. Das hier in Zukunft im sozialen Bereiche eher gekürzt als aufgestockt wird, ist nicht unwahrscheinlich. Gleiches gilt für den Kreishaushalt, der im kommenden Jahr das erste mal ohne Bedarfszuweisungen des Landes auskommen muss.
Ob und wo der Rotstift angesetzt wird, steht noch nicht fest. Die Diskussion zum Für und Wider muss im Kreistag politisch geführt werden. Der zuständige Beigeordnete im Landratsamt, Stefan Nüßle meint, dass es an der Zeit sei, die sozialen Leistungen wieder auf das Land zu spiegeln, die kommunale Ebene könne verwalten und ausreichen, aber nicht alles bezahlen.
Besser sieht es in der Schulsozialarbeit aus. Für die muss man Gelder in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro aufwenden, die so gut wie unter Dach und Fach sind. Allein der Kreisanteil der Kosten von etwa 120.000 Euro fehlt und für den gibt es bindende Entscheidungen des Kreistages aus der Vergangenheit. Für die 21 Schulsozialarbeiter, die an 24 Schulen im Kreis tätig sind, bleibt alles beim Alten.
Umfangreiche Änderungen strebt man hingegen in der Förderung der Tagespflege an. Drei solcher Angebote gibt es derzeit im Landkreis, statt Kindergarten bieten qualifizierte Tagesbetreuer die Unterbringung in Kleingruppen an, mitunter auch in den eigenen vier Wänden. Dafür gelten hohe Standards, die man in der Neufassung der zugehörigen Satzung klarer umreißen will.