Worum es den Initiatoren geht

Volksbegehren zur Abwahl des Landtags

Donnerstag
02.03.2023, 18:18 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Weil die versprochene Auflösung des Thüringer Landtags und Neuwahlen bisher nicht stattfanden, hat die Kleinpartei „Bürger für Thüringen“ vor einem Monat ein Volksbegehren gestartet. Damit sollen die Möglichkeiten der direkten Demokratie gestärkt werden, wie sie in anderen Bundesländern schon existieren …

Plenarsaal des Thüringer Landtags in Erfurt (Foto: nnz-Archiv) Plenarsaal des Thüringer Landtags in Erfurt (Foto: nnz-Archiv)

Aufgrund unseres gestrigen Artikels erreichten die Redaktion Nachfragen zum seit einem Monat laufenden Volksbegehren in Thüringen. Wir haben Ihnen hier Argumente und Hintergrundfakten zusammengetragen.

Die Sondershäuser DDR-Bürgerrechtlerin und Ex-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld führte zur Thematik des aktuellen Volksbegehrens gestern aus:
„Von Umfrage zu Umfrage steigt der Frust der Bevölkerung über die Politik. Besonders zwei Ereignisse in den letzten Jahren haben das Vertrauen in die Politiker schwer beschädigt: das Wahldesaster in Berlin, das eine Wahlwiederholung nötig machte, und die Weigerung der rot-rot-grünen Koalition, das Ergebnis dieser Wiederholung anzuerkennen.

Während die Wahlwiederholung in Berlin vom Verfassungsgericht angeordnet wurde, weil es nicht widerlegbare Einsprüche wegen zahlreicher Pannen gab, ist die rückgängig gemachte Ministerpräsidentenwahl in Thüringen ein politischer Putsch gegen eine demokratische Entscheidung.  

Zur Erinnerung: Gewählt wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich, der gegen Bodo Ramelow von der abgewählten rot-rot-grünen Koalition angetreten war, Da er aber auch die Stimmen der AfD erhielt, verfügte Ex-Kanzlerin Merkel aus dem fernen Südafrika, dass die Wahl wiederholt werden müsse. Sie verlangte von der Thüringer CDU, dass sie die rot-rot-grüne Minderheits-Koalition zu unterstützen habe. 

Weil das Ganze aber ein zu starkes „Gschmäckle“ hatte, wurde der Öffentlichkeit versichert, es gebe nach einem Jahr Neuwahlen. Wer das geglaubt hatte, wurde wieder enttäuscht. Die Neuwahl wurde von einer Handvoll CDU-Abgeordneter verhindert, denen ihr Mandat wichtiger war als das Wohl Thüringens.

Immer mehr Menschen wenden sich ab und werden zu Nichtwählern. In Berlin sind sie bereits die stärkste Kraft. So verständlich diese Reaktion einerseits ist, so falsch ist sie. Die Politiker scheren sich nicht um Nichtwähler, sie bleiben ja an der Macht, weil nur die in der Wahl erzielten Prozente zählen, nicht die Anzahl der abgegebenen Stimmen. In der Weimarer Verfassung wurde noch verfügt, dass die Anzahl der Mandate von der Wahlbeteiligung abhängt. Damit waren die Parteien gezwungen, um jede Stimme zu kämpfen. Diese Regelung gibt es nicht mehr. Wer nicht wählt, wirft seine Stimme weg. 

Das Wahlrecht muss dringend reformiert werden. In Thüringen haben die Bürger für Thüringen einen ersten wichtigen Schritt unternommen. Da die Politik ihr Versprechen, den Landtag aufzulösen und neu zu wählen, gebrochen hat, haben die Bürger für Thüringen ein Volksbegehren gestartet. Sie wollen eine Verfassungsänderung, die ermöglicht, dass die Bürger die Regierung und den Landtag abwählen können. Das Volksbegehren läuft bereits, aber die regierungsnahen Medien haben einen Mantel des Schweigens über das Vorhaben gebreitet. Deshalb müssen sie über das Netz und die neuen unabhängigen Medien informiert werden.“

Das Volksbegehren
Im aktuellen Fall geht es um eine Änderung der Thüringer Verfassung. Sie soll ermöglichen, den Landtag und die Regierung des Freistaats per Volksentscheid abzuwählen.

Die Initiatoren vertreten die Auffassung, dass von Landtag und Landesregierung die Bürgerinteressen übergangen und Versprechen nicht eingehalten wurden. Deshalb soll es ein neues, starkes Recht geben: „Nicht nur wählen, sondern abwählen.“

Das Volksbegehren habe zum Ziel die Demokratie in unserem Bundesland durch Bürgerkontrolle zu stärken. Notwendig sind dafür 200.000 Unterschriften, die seit einem Monat und noch bis Ende Mai gesammelt werden sollen. Gelingt das Volksbegehren, wäre für das Thüringer Parlament und die Thüringer Verfassung eine vergleichbare Rechtslage möglich, wie sie Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen und Rheinland-Pfalz bereits verankert haben.

Inhalt des Volksbegehrens:
Der unterzeichnende Stimmberechtigte begehrt, dass dem Landtag folgender Gesetzentwurf unterbreitet wird:
Entwurf eines Gesetzes für ein

Fünftes* Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen

Artikel 1
Dem Artikel 50 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25. Oktober 1993 (GVBl. S. 625), die zuletzt durch Gesetz vom 11. Oktober 2004 (GVBl. S. 745) geändert worden ist, wird folgende Nummer 3 angefügt:
„3. wenn das Volk durch einen Volksentscheid, der auf Antrag von zehn vom Hundert der in Thüringen Wahlberechtigten (Volksbegehren) in freier Sammlung innerhalb von 4 Monaten durchgeführt wird, die Auflösung des Landtags beschließt. Ein solcher Volksentscheid bedarf der Zustimmung der Mehrheit der Abstimmenden; diese Mehrheit muss mindestens 40 vom Hundert der Stimmberechtigten betragen. Für den Volksentscheid und das Volksbegehren gelten die Regelungen des Artikels 82 Abs. 3, 4, 6, 7 Satz 2 1. Halbsatz entsprechend; Artikel 82 Abs. 7 Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Behandlungsfrist im Landtag von sechs Monaten eine Behandlungsfrist von vier Monaten tritt. Das Nähere regelt das Gesetz.“

Artikel 2
*Die Zählung und die letzte Änderung werden zum Zeitpunkt der Beschlussfassung angepasst.

Begründung:
Derzeit kann der Landtag entweder selbst seine Auflösung beschließen oder nach einem erfolglosen Vertrauensantrag des Ministerpräsidenten neu gewählt werden. In der Verfassung des Freistaates Thüringen fehlt jedoch die Möglichkeit einer vorzeitigen Neuwahl nach Auflösung des Landtags im Wege eines Volksentscheids des Bürgers als Souverän. Beispielsweise sieht die Bayerische Verfassung diesen Schritt in Artikel 18 Absatz 3 vor.

Den genauen Wortlaut des Unterschriftenbogens finden Sie in der angehängten. pdf-Datei.