Dietmar Bartsch in Heringen

Es muss Veränderung her

Donnerstag
16.09.2021, 11:50 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Nordhäuser Linke lud am Dienstag zum Bürgergespräch mit Dietmar Bartsch nach Heringen. Im Schloss sollte es keine „Kampfreden“ geben, sondern der Dialog mit dem Publikum im Vordergrund stehen. Das war kurz nach Feierabend nicht eben zahlreich erschienen...

Eingeladen hatte Parteifreundin Birgit Keller, ihres Zeichens Thüringer Landtagspräsidentin und bekennende „Bartschianerin“. Den Pragmatismus schätze sie, den Einsatz für die Belange der Menschen - Sätze die in der Politik leicht von den Lippen gehen, gerade in Wahlkampfzeiten. Bevor es an die Fragerunde ging gab der Fraktionsvorsitzende der Linken denn auch einen groben Überblick über die zentralen Wahlkampfthemen. Es gehe am 26. September um mehr als eine Wahl zur Regierungsbildung. „Es muss Veränderung geben“, sagt Bartsch, sonst komme man bald an einen „Point of no return“. Konkret soll das heißen: die CDU in die Opposition schicken, Veränderung könne es nur mit einem Mitte-Links-Bündnis geben, sprich Rot-Rot-Grün.

Im jüngsten „Triell“ sei in den ersten 20 Minuten über die Linke gesprochen worden ohne eines ihrer Themen zu berühren, führte Bartsch aus, im kleinen Kreis in Heringen wolle er versuchen nicht in „Kampfreden“ zu verfallen und sich nicht mit den „aufgezwungenen“ Themen des Wahlkampfes zu befassen - also die Haltung zur Nato und mögliche Koalitionsfragen. Das Verhältnis zum Militärbündnis riss Bartsch dann aber doch selbst an: die Nato sei ein Relikt des Kalten Krieges, ein „Desaster“ das einem „System kollektiver Sicherheit“ weichen müsse, dass Russland mit einschließt. Seine Partei werde deswegen den Auflösungsgedanken weiter vertreten. Wobei Wollen das eine sei, das tatsächliche Können eine andere.

Dietmar Bartsch zog am Dienstag für die Linke in Heringen in den Wahlkampf (Foto: agl) Dietmar Bartsch zog am Dienstag für die Linke in Heringen in den Wahlkampf (Foto: agl)


Die Frage nach Ambitionen auf einen möglichen Ministerposten bügelte Bartsch ab, es sei unredlich über so etwas zu spekulieren und eine Form von Arroganz. Der Bär müsse erst erlegt werden, bevor das Fell verteilt werden könne. Dass die Linke keine klaren Kanzlerkandidaten positioniere habe seine Gründe, der Fokus allein auf die Personen statt die parteilichen Inhalte sei „befremdlich“, schließlich wähle man Parteien in den Bundestag, nicht den Kanzler oder die Kanzlerin. Das man in den Umfragen schlechter dastehe als das die Zielvorstellung der Genossen vorsieht habe mehrere Gründe. Zum einen habe man lange als zerstrittene Partei dagestanden, das hänge der Linken jetzt nach. Das Ausschlussverfahren gegen Sarah Wagenknecht sei „idiotisch“ gewesen und das Werk einiger „Wahnsinniger“. Zum anderen habe man den Osten des Landes zu lange vernachlässigt. Letztlich gehe es aber nicht darum Umfragen sondern Wahlen zu gewinnen.

Zentrale Frage des Wahlkampfes müsste die Zukunft des Steuersystems sein, dass aber spiele bei den Konkurrenten aktuell kaum eine Rolle. Entlastung wolle die Linke unter anderem über eine einmalige Vermögensabgabe. Die sei kein Teufelswerk und würde am Ende weniger als ein Prozent treffen und trotzdem 310 Milliarden ins Staatssäckel spülen. Es gehe der Partei nicht darum, Unternehmen kaputt zu machen, man sei schließlich nicht „behämmert“. Auch das Erbrecht würde man anfassen wollen, im Moment lohne sich in Deutschland Leistungslosigkeit mehr als Arbeit. In eine andere Richtung könne es hier nur mit der Linken gehen.

Kinderarmut, Afghanistan Rückzug, der Umgang und die Sorge vor einem Rechtsruck im Land, die Bilanz der Merkel-Jahre - Themen gab es viele. Allein das Publikum blieb am Dienstag kurz nach Feierabend mit gut 20 Gästen eher übersichtlich, ein gutes Drittel dürfte zudem selber ein Parteibuch besessen haben. Man blieb also gewissermaßen unter sich. Der Effekt des hohen Besuchs aus Berlin dürfte für den kommenden Urnengang entsprechend gering ausfallen. Der politische Gegner von der anderen Seite des Spektrums hat am vergangenen Wochenende zwar auch nur vor der eigenen Klientel gepredigt, der Aufschlag für die öffentliche Wahrnehmung war aber zweifelsohne deutlicher.
Angelo Glashagel