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Ortsumfahrung Bad Frankenhausen:..

Mittwoch
01.07.2020, 11:37 Uhr
Autor:
khh
veröffentlicht unter:
Einflussnahme durch Straßenbaulobbyisten? Diese Frage stellt ein Leser im Forum...

Am 3. August 2016 wurde vom Bundeskabinett der Bundesverkehrswegeplan 2030 beschlossen, darunter das Projekt „Ortsumfahrung Bad Frankenhausen“ im sogenannten „Vordringlichen Bedarf“. Auf Initiative der Wählergemeinschaft Pro Frankenhausen wurde eine Bürgerinitiative (BI) „Ortsumgehung Bad Frankenhausen“ gegründet, um nach eigenen Aussagen „im Interesse unserer Kurstadt, seiner Einwohner und Gäste das Thema einer Ortsumgehung auf die Tagesordnung zu holen“.

Nach Online-Recherchen lässt sich die BI dabei von der Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung e.V. (GSV) betreuen und unterstützen. Am 6. Dezember 2018 vermeldet die Homepage der GSV „In Bad Frankenhausen machen Bürger mobil“ und am 27. Mai 2019 heißt es „Bürgerinitiative Bad Frankenhausen geht in die Öffentlichkeit“. Darin werden die „völlig unrealistischen“ Verkehrszahlen, die dem Bundesverkehrswegeplan zugrunde liegen, angezweifelt. Es wird von der Sorge berichtet, dass durch die ständig steigende Abgas- und Lärmbelästigung, die der innerörtliche Verkehr mit hohem Schwerlastverkehrsanteil erzeugt, die Zukunft als Kurstadt auf dem Spiel steht“.

Wer ist die Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung e.V.? Die Stuttgarter Zeitung hat es in ihrem Artikel vom 10. Dezember 2015 folgendermaßen beschrieben: „Der Name klingt nach Tempolimit und Sorge um die Natur. Doch hinter dem kleinen Kreis ehemaliger Straßenbauamtsleiter und Bürgermeister steckt die große deutsche Asphaltlobby. Finanziert wird die GSV über einen Förderverein namens Fördergemeinschaft für umweltgerechte Straßen- und Verkehrsplanung.

Zu dessen Sponsoren zählen unter anderem die Strabag-Tochter Deutsche Asphalt, die Mitteldeutschen Hartsteinwerke, das Asphaltschotterwerk Deutag GmbH, die AWH Asphaltwerke Haßberge oder die Ingolstädter Asphaltmischwerke. Vorsitzender der Gesellschaft ist Diplom-Ingenieur Rolf Crone, der bis April 2003 Abteilungsleiter Straßenbau im hessischen Verkehrsministerium war. Nach außen tritt die die GSV als großer neutraler Wohltäter auf. Doch hinter dem Versprechen, die Bürgersorgen mitzutragen, stecken schnöde Geschäftsinteressen: Straßen bauen, wo es nur geht – egal ob Autobahnen, Umgehungsstraßen oder Brücken.“ In einem Artikel des Online-Portals lobbycontrol vom 28. April 2009 heißt es darüber hinaus: „Die Mehrheit der Gründungsmitglieder der GSV waren Bauunternehmen, Baustoff- und Asphaltfirmen, sowie der Bundesverband der Naturstein-Industrie. Letztlich ist die GSV eine Vorfeldorganisation der Asphalt- und Baulobby, um lokale Initiativen für mehr Straßen aufzubauen. Durch den Druck dieser Initiativen soll mehr staatliches Geld in den Straßenbau fließen.“

Die BI „Ortsumgehung Bad Frankenhausen“ bedient sich demnach einer fragwürdigen Unterstützung. Darüber hinaus sind die vorgetragenen Argumente des gestiegenen Verkehrsaufkommens mit einem hohen Schwerlastverkehrsanteil alles andere als nachvollziehbar. Betrachtet man die Ergebnisse der alle fünf Jahre stattfindenden Straßenverkehrszählung am für die Ortsumgehung relevanten Messpunkt 4632 0112 zwischen den Ortslagen Bad Frankenhausen und Oldisleben, so kann man einen signifikanten Rückgang der Zahlen von 9.680 Kfz/24h im Jahr 2000 auf 6.106 Kfz/24h im Jahr 2005 feststellen. Danach fand ein lediglich geringfügiger Anstieg während der Zählungen 2010 (6.006 Kfz/24h) sowie 2015 (6.475 Kfz/24h) statt. Deutlich spürbar ist demgegenüber jedoch der Rückgang des Schwerlastanteils von 401 Fahrzeugen/24h im Jahr 2010 (39 Busse, 148 Lkw ohne Anhänger, 214 Lastzüge) auf 208 Fahrzeuge/24h im Jahr 2015 (62 Busse, 99 Lkw ohne Anhänger, 47 Lastzüge) (*).
Diese Zahlen waren es vermutlich, die die Arbeitsgruppe der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (!) im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur am 23. November 2016 einen Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes stellen ließ.

Aufgrund einer der niedrigsten Verkehrsbelastungen innerhalb des Bundesverkehrswegeplans 2030 und in Anbetracht der Auswirkungen des demographischen Wandels mit einem weiter rückläufigen Verkehrsaufkommen für den Zeitraum nach 2030 wurde der Antrag gestellt, die Ortsumfahrung Bad Frankenhausen aus dem Bedarfsplan zu streichen sowie als Alternative einen bestandnahen Ausbau vorzusehen. Leider erfolgte damals die Ablehnung dieses Änderungsantrages. Dabei ist eine Ortsumfahrung nur dann akzeptabel, wenn sich die örtliche Situation tatsächlich verbessert, wenn sie allen Einwohnern einer Stadt sowie der Umwelt nützt, ohne die negativen Auswirkungen des Straßenverkehrs auf andere Teile der Stadt oder die umgebende Landschaft zu verlagern.

All dies ist für die geplante Ortsumgehung von Bad Frankenhausen nicht der Fall. Vielmehr bedarf es wirksamer und umweltverträglicher Alternativen, die von Politik und Verwaltung entwickelt werden müssen (z. Bsp. Verbesserung des ÖPNV, Schaffung eines Bürgerbusses, Konzepte zur Verkehrsberuhigung und Verkehrslenkung, Ausbau des Rad- und Fußwegenetzes, Vermeidung von Bequemlichkeits- und Mehrfachfahrten, usw.).

Marco Riese
Bad Frankenhausen


(*) Alle 5 Jahre führen der Bund und die einzelnen Bundesländer Straßenverkehrszählungen durch. Die Ergebnisse der Zählung 2020 stehen noch aus.
Quellen:
[Folz, Winfried], Die noblen Spender aus der Asphaltindustrie, 10.12.2015, Stuttgarter Zeitung, www.stuttgarter-zeitung.de
[Müller, Ulrich], Versteckspiel der Asphaltlobby muss beendet werden, 28.04.2009, www.lobbycontrol.de
[Ludewig, Karl-Heinz], Methode Bürgerinitiative: Die Straßenbaulobby GSV, Besser Verkehren, Verkehrspolitisches Zirkular, Ausgabe 6/2012, Fraktion Die Linke. im Deutschen Bundestag, www.nachhaltig-links.de
Bürgerinitiative Bad Frankenhausen (B 85) geht in die Öffentlichkeit, 27.05.2019, Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung e.V., www.gsv-verkehrundumwelt.de
In Bad Frankenhausen machen Bürger mobil, 06.12.2018, Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung e.V., www.gsv-verkehrundumwelt.de
Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines sechsten Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes“, Drucksachen 18/9523, 18/9853, 23.11.2016, Arbeitsgruppe der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, www.gruene-bundestag.de
Ergebnisse der Straßenverkehrszählung 2015, Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr, https://www.thueringen.de/th9/tlbv/service/verkehrsmengenkarten/index.aspx
Ergebnisse der Straßenverkehrszählung 2010, Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr, https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tlsb/service/verkehrsmengenkarten/svz_2010/16-th_blk.pdf