Neues aus Bad Frankenhausen

Seniorentreffen der anderen Art

Mittwoch
23.08.2017, 09:56 Uhr
Autor:
khh
veröffentlicht unter:
In der Generation 30+ ist es mit zunehmenden Alter Sitte und Brauch, dass sich die verschiedensten Gruppen nach 5, 10, 15 …Jahren wieder einmal treffen – sei es zu Familien-, Klassen-, Abiturienten-, Studenten- und anderen Treffen. Von so einem Treffen berichtet unser Leser Peter Zimmer...

In den evangelischen Kirchgemeinden ist es seit vielen Jahrzehnten eine gute Tradition, daß 25 oder 50, 60, 65…Jahren nach der Konfirmation, die ja meist mit 14 Jahren erfolgt, zu der „Jubelkonfirmation eingeladen wird.

Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer) Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer)

Auch wenn infolge der politischen DDR-Verhältnisse die Zahlen der damals Konfirmierten geringer werden, so lassen sie sich gerne einladen. Dies ist dann auch der Anlaß zu einem gemeinsamen Klassentreffen, wo man sich über alles Mögliche wieder einmal austauschen kann.


Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer) Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer)

Zum üblichen Termin gab es also auch in der Unterkirche zu Bad Frankenhausen eine Woche nach Pfingsten Jubelkonfirmation mit 3 „goldenen“, 11 „diamantenen“, 6 „eisernen“ Konfirmanden und einer Jubilarin, die vor 71 Jahren konfirmiert wurde.
Nach dem feierlichen Einzug der Jubilare und dem üblichen Gottesdienstablauf ging Pfarrerin Magdalena Seifert in ihrer Predigt besonders auf die Jubelkonfirmanden ein:
„Liebe Gemeinde, vor allem aber liebe Teilnehmer der Jubelkonfirmation, am Donnerstag vor einer Woche hatte die 6.Klasse des hiesigen Gymnasiums ihren Ethik-Unterricht in unsere Unterkirche verlegt. Die Frage war: wir behandeln grad das Christentum. Was gibt es dazu in der Unterkirche zu sehen? Ich hatte mir in Vorbereitung auf diesen Besuch einiges


Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer) Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer)

zurecht gelegt an Informationen zur Geschichte unserer Kirche und anderes, was ich den Jugendlichen gern zeigen und erklären wollte. Es war eine kurzweilige Stunde, denn zum einen gibt es eine Menge zu sehen in unserer Kirche und zum anderen hatten die Schüler eine Menge Fragen. Sie hatten sogar mehr Fragen, als ich erwartet hatte und es kam der Moment, in dem ich feststellte: Genau, daran hast du jetzt gar nicht gedacht. Das hättest du jetzt glattweg vergessen.



Einige fragten nämlich nach der Schrift hier oben am Rand der Emporen und was das zu bedeuten hat. Und in der Tat – die biblischen Verse aus dem Alten und dem Neuen Testament sind wirklich etwas Besonderes. Sie ziehen sich wie ein Schriftband um unsere ganze Kirche, angefangen hier vorn über der Fürstenloge hinein ins südliche Kirchenschiff, an der Orgelempore entlang und dann auf der Nordseite wieder bis hier nach vorn über der Kanzel. Seit der Restaurierung unserer Unterkirche in den vergangenen Jahren sind sie sehr schön sichtbar geworden. Jeder Vers beginnt mit einem besonders kunstvoll gestalteten Anfangsbuchstaben. Aber jeder Vers bedeutet auch eine gewisse Herausforderung – jedenfalls für diejenigen, die die alte Frakturschrift nicht so ohne weiteres entziffern können. Und die Rechtschreibung war vor 300 Jahren auch eine andere als heute.

Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer) Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer)

Doch die Schüler hatten den Ehrgeiz, die Worte herauszubekommen. Wir haben uns auf zwei biblische Verse konzentriert – der erste hier über der Fürstenloge aus dem 2.Timotheusbrief. Da sagt der Apostel: „Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht.“ Das ist das biblische Wort, das der Pfarrer und die Pfarrerin erblickt, wenn sie auf die Kanzel steigen, um zu predigen.
Und das andere von gegenüber – das haben immer diejenigen zuerst gesehen, die in der Fürstenloge Platz genommen haben. Es ist ein Wort aus dem Buch des Propheten Jesaja: Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth.
Es ist das gleiche Wort, das wir eben im Predigttext für den heutigen Sonntag Trinitatis gehört haben. Da singen es die Chöre der Engel, die Serafim. Sie singen es zum Lob Gottes im Tempel von Jerusalem. Und es heißt: der ganze Tempel war erfüllt von Gottes Herrlichkeit.

Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer) Seniorentreffen der anderen Art (Foto: Peter Zimmer)

Der junge Jesaja, der um das Jahr 700 v. Christus den Tempel betritt, ist überwältigt von so viel Kraft und so viel Gegenwart Gottes. Er kommt sich plötzlich ganz klein und unbedeutend vor: Wer bin ich denn, dass ich hier stehe? So fragt er. Und er weiß auch gleich die Antwort:

Ein unvollkommener und mit Schuld beladener Mensch bin ich. Und ich komme aus einem Volk von unvollkommenen und mit Schuld beladenen Menschen. Wie kann ich vor so viel Herrlichkeit bestehen? Doch Jesaja muß nicht lange allein bleiben mit seinen Fragen. Ein Engel kommt und sagt ihm Hilfe zu. Und diese Hilfe geschieht ganz handgreiflich. Der Engel heiligt Jesaja, indem er seine Lippen berührt. Er spricht ihn frei von aller Unvollkommenheit und von aller Schuld und holt ihn auf diese Weise mit hinein in die Gemeinschaft mit Gott.

Doch nicht nur das. Gott will Jesaja nicht nur in seiner Nähe haben. Er hat auch einen Auftrag für ihn: Geh und sprich zu meinem Volk! In der biblischen Geschichte ist das die Berufung des jungen Mannes Jesaja zum Propheten Gottes. Diese Berufung ist eng verknüpft mit dem Lobgesang der Engel: Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth.
Und was bedeutet das nun für uns, wenn wir hier in unserer Kirche ganz vorn an exponierter Stelle diesen Lobgesang lesen – jedes Mal, wenn wir miteinander Gottesdienst feiern, jedes Mal, wenn wir unser Gotteshaus betreten? So wie heute zum besonderen Fest der Jubelkonfirmation?

Zunächst einmal bedeutet es ganz einfach eine Verbundenheit über Jahrzehnte hinweg.
Denn so, wie wir dieses „Heilig“ heute lesen, so haben Sie, liebe Jubilare, es vor 50 und 60 und 65 und 70 und sogar 76 Jahren auch schon gelesen, als Sie hier in unserer Unterkirche konfirmiert worden sind. Es war in jenen Jahren vielleicht nicht so deutlich zu erkennen wie heute, aber es stand als Zusage von Gottes Gegenwart auch über Ihren Konfirmationen.
Heute erinnern wir uns mit Ihnen an Ihre Konfirmationsjahre 1967 und 1957 und 1952 und 1947 und sogar 1941.

Da wird schon beim Aufzählen deutlich, wie verschieden diese Jahre waren. Wie viel hatte sich in den 26 Jahren von 1941 bis 1967 geändert. Waren die frühen Jahre noch geprägt von der Not des Krieges und den Lasten der Nachkriegsjahre, so nahm die Sorge ums tägliche Brot später nicht mehr den Raum ein wie zuvor.

Die Konfirmationen konnten richtig gefeiert werden mit Kuchen und Braten und es gab ein neues Kleid und einen neuen Anzug. Nicht mehr die umgeschneiderten Gewänder der großen Geschwister. Da war manches leichter geworden vom äußeren her.
Aber die Konfirmation selbst hatte es immer schwerer. Von Schule und Partei wurde sie immer mehr als politisches Mittel missbraucht, um Druck auszuüben, wenn es um die schulische Laufbahn ging oder um die Berufsausbildung.

Und längst nicht mehr alle, die getauft waren, kamen zu Konfirmation.
Die Konfirmation wurde zur Bekenntnisfrage für Sie, liebe ehemalige Konfirmanden und mehr noch für Ihre Eltern und oft auch Großeltern. Ohne deren Unterstützung hätten Sie manchem Druck nicht standhalten können. Auch die deutlichen Worte Ihrer Pfarrer und die Gemeinschaft in der Kirchgemeinde brauchten Sie als Zeichen solcher Unterstützung.
Denn das „Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth“ war längst nicht mehr selbstverständlich und war hart angefragt in der Gesellschaft.

Umso wichtiger war es, dass es hier in unserem Gotteshaus nach wie vor zu erkennen war als Zeichen von Gottes Kraft und Nähe. Und so haben Sie den Segen zu Ihrer Konfirmation empfangen als eine Zusage für Ihren Weg.

Ihre Lebenswege, die bis dahin bestimmt waren von vielen Gemeinsamkeiten der Kinder- und Schulzeit, von der Christenlehre bei Frau Wurziger und von der Konfirmandenzeit,
die trennten sich dann und wurden ganz unterschiedlich.
Manche von Ihnen blieben auch später mit ihren verschiedenen Berufs- und Familienwegen freundschaftlich miteinander verbunden. Andere zogen weg aus Bad Frankenhausen und verloren sich aus den Augen.
Es ist deshalb sehr schön, dass Sie sich nun haben einladen lassen zum Fest der Erinnerung an Ihre Einsegnung und an Ihren gemeinsamen Aufbruch damals auf den Weg des Glaubens als junge Erwachsene.

Auch diese Glaubenswege werden für Sie ganz unterschiedlich gewesen sein.
Denn das wissen wir aus unseren Erfahrungen: es gibt Zeiten, da kann ich fröhlich glauben und spüre Gottes Nähe ganz unmittelbar. Und es gibt Zeiten voller Unsicherheit und Zweifel, Zeiten durchs tiefe Tal, in denen ich nichts anderes habe als die Frage: wo bist du, Gott? Hast du mich denn ganz und gar verlassen? Oder auch: wer bin ich denn in meiner Unvollkommenheit und meinem Versagen, dass ich dennoch zu dir kommen kann?
Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt, was oft behauptet wird - dass mich beides, die Glaubensfreude und der Glaubenszweifel weiterbringen auf meinem Weg als Christ.

Ich bin mir deshalb nicht sicher, weil es auch vorkommt, dass sich Menschen verlieren auf dem Weg des Zweifels, dass sie ihren Glauben verlieren.

Worüber ich mir aber sicher bin, das ist die Zusage unseres Gottes, dass er sein Haus und sein Herz offen hält für mich. Dass ich jederzeit zu ihm kommen kann oder auch wieder zu ihm kommen kann in seine Nähe und in sein Haus, so wie Jesaja in Gottes Nähe gekommen ist. Warum? - weil ich getauft bin. Und weil ich die Heilige Taufe nicht verlieren kann.

Der Segen der Taufe gilt – ein Leben lang. Und darüber hinaus bis ins ewige Leben.
Jesaja war begeistert von der Gemeinschaft mit Gott. Sie hat ihm eine große Kraft und einen großen Mut gegeben, so dass er den Segen Gottes gar nicht nur für sich allein haben wollte, sondern ihn gern weitergeben wollte an andere. „Sende mich!“ so hat er gesagt.

Ich wünsche uns, dass wir das auch so erleben können – wie uns der Segen Gottes so belebt und so beschwingt, dass wir einander zum Segen werden.
Und dass wir miteinander den Blick erheben zu den Worten der Bibel hier in unserer Unterkirche und mit einstimmen können in den Lobgesang des heutigen Festtages:
Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth – alle Lande sind seiner Ehre voll. Amen.“

Es wurde auch besonderes deren gedacht, die aus Krankheitsgründen nicht teilnehmen konnten bzw. die schon verstorben sind.
Nach dem Gottesdienst gab es dann als Erinnerung den üblichen Fototermin vor dem Altar. Am Nachmittag traf man sich noch einmal zum Kaffeetrinken, erfuhr dort etwas über das aktuelle Geschehen bzgl. Bau und Orgel und konnte sich weiterhin ausführlich mit den anderen über „Gott und die Welt“ unterhalten und gute Erinnerungen für weiterhin mit nach Hause nehmen.

P.S:: Die älteste Jubilarin ist 91 Jahre und ein „Frankenhäuser Urgestein“. Wenn man etwas über vergangene Zeiten Frankenhausens wissen will (sei es Geschäfte, Bäckereien, Gaststätten, Familien…) kann man sie fragen und meistens hat sie eine Antwort parat und das in bester Frankenhisser Mundart!

Text und Bilder: Peter Zimmer
Bad Frankenhausen