Oberbürgermeisterin verwöhnt besondere Genießer

Apfelviertel ohne Kerngehäuse

Montag
29.02.2016, 21:32 Uhr
Autor:
jm
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Blick in einen Ziegenstall in Pfeiffhausen. Im Hintergrund Rotlicht, unter dem sich die Lämmer (etwa 100 davon leben in Pfeiffhausen) wohl fühlen können. (Foto: Jochen Miche) Blick in einen Ziegenstall in Pfeiffhausen. Im Hintergrund Rotlicht, unter dem sich die Lämmer (etwa 100 davon leben in Pfeiffhausen) wohl fühlen können. (Foto: Jochen Miche) Jutta Fischer bereitet sich auf ihre Termine bekanntermaßen sehr akribisch vor. Deshalb ist die Eisleber Oberbürgermeisterin auch gern gesehener Gast bei vielen Veranstaltungen: weil sie kompetent und auf Augenhöhe mit ihren Gastgebern argumentiert. Doch manchmal mutet sie sich in Vorbereitung auf Termine auch etwas viel zu. Wie vor ihrem Termin beim Ziegenhof Pfeiffhausen…

Den Ziegen in Pfeiffhausen geht es offenkundig richtig gut: Bewegung, Sauberkeit, selbst das Futter – Pellets voller Gräser und Kräuter, die sogar einem Menschen bekommen – ist perfekt auf die Tiere abgestimmt, wie msh-online vom Stallmeister des Ziegenhofes, Ludwig Schulze, einem studierten Landwirt, und durch Kosten eines solchen nussig schmeckenden Teils erfuhr. Doch dem Ganzen setzte Oberbürgermeisterin Jutta Fischer noch die Krone auf: Als Gastgeschenk brachte sie den wiederkäuenden Milchlieferanten zwei Eimer voller mundgerecht geschnittener Möhren und Äpfel mit. Ein Apfel leckerer als der andere, bei dessen Anblick der msh-online-Redakteur sich höllisch bremsen musste, um den Ziegen nicht noch etwas wegzunaschen.

Die Oberbürgermeisterin hatte – genau wie es der sehnsuchtsvoll in den Eimer schielende online-Mensch liebt - die gesunde Schale an den Äpfeln gelassen, aber jedes Kerngehäuse fein säuberlich entfernt. Das ist beim Essen ja wirklich etwas unangenehm, und „da man ja nicht weiß, ob Ziegen das nicht vielleicht im Hals kratzt, habe ich sicherheitshalber die Gehäuse auch herausgeschnitten“, erklärte Frau Fischer ihre halbe durchwachte Nacht, denn so lange dauerte die ganze Schnippelei.

Um die großen Mengen Obst und Gemüse unter die Leute, also: unter die Tiere zu bringen, erbarmten sich Martin Schulze und Cathleen Scheiner von der Standortmarketing Mansfeld-Südharz GmbH (SMG), der Oberbürgermeisterin zu helfen, die ihren Spaß an der Fütterung hatte. Auch die Tiere ließen sich die Handfütterung gefallen; den Preis zahlten die drei Tierfreunde mit vollgesabberten Händen, Erdspritzern an ihrer Kleidung und erdfarbenen Hufabrücken auf ihren Schuhen. - Martin Schulze dachte später laut über das Anschaffen von Gummistiefeln nach, sollte er mal wieder Jutta Fischer auf einer ihrer Landpartien folgen…

Dennoch: Nach der Fütterung trugen alle drei fröhlich-entspannte Gesichter. Und ein weiterer amüsierte sich köstlich über die „Raubtierfütterung“: Tobias Fritzsche. Der Geschäftsführer des Ziegenhofes Pfeiffhausen hatte an diesem Abend Menschen eingeladen, sich mal in aller Ruhe die Ziegenställe, Käserei und andere Objekte seines Unternehmens anzusehen und Fragen zu stellen. Jüngst erst hatte die Landgut Pfeiffhausen GmbH nach der Auszeichnung mit dem vom FDP-Kreisverband Mansfeld-Südharz ausgelobten Preis „Unternehmergeist“ für überregionale Aufmerksamkeit gesorgt, und davor sogar den Namen des Landkreises über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus bekannt gemacht – dank ihres Auftritts auf der Grünen Woche in Berlin Ende Januar.

Dieses Präsentation war möglich geworden aufgrund des Engagements der Standortmarketing Mansfeld-Südharz GmbH (SMG), die auf Initiative ihres Geschäftsführers, Mark Lange, interessierten mittelständischen und kleinen Unternehmen des Mansfelder Landes einen absolut bezahlbaren Platz auf der Grünen Woche in Berlin gesichert hatte. In den 25 zurückliegenden Jahren hatte kein Wirtschaftsförderer im Mansfeldischen je vermocht, diesen Gedanken von Gemeinsamkeit so umzusetzen und, was ebenso wichtig ist: dranzubleiben. Denn die Pflänzchen gilt es zu hegen und zu pflegen - auch wenn das „Opfer“ kostet, wie sie Martin Schulze und Cathleen Scheiner im Streichelzoo bringen mussten.

Der Ziegenhof erzeugt ausschließlich Bio-Produkte. Aus Ziegenmilch werden beispielsweise Weichkäsetaler, Weichkäse in Öl, Camembert, Frischkäse, Schnittkäse und der Ziegenharzer „Springender Bock“ hergestellt. Aus Bio-Kuhmilch, die allerdings zugekauft wird, entstehen Frischmilch, Trinkjoghurt und Naturjoghurt. Während einer Führung durch Stallungen und die Käserei erfuhren die interessierten Besucher, unter denen sich viele Inhaber von Bio-Läden und Gastronomen befanden, dass beispielsweise Fruchtjoghurt ausschließlich mit vor Ort hergestelltem, zusatzfreiem Fruchtmus angerührt wird – natürlicher geht es kaum.

Diese Authentizität ist vermutlich ein wesentlicher Grund, weshalb sich Bio-Freaks, Oberbürgermeisterinnen und Marketingexperten recht wohl in diesem kleinen Unternehmen bei Ihlewitz im Mansfelder Land fühlen. Hier werden ganz offensichtlich nicht nur die späteren Kunden, sondern zuvor schon die Tiere und deren Ansprüche ernst genommen. Man musste nur in die Eimer schauen, die Oberbürgermeisterin Fischer zu den Ziegen schleppte.

Jochen Miche