Abgeordnete werden zu Statisten degradiert

Corona-Maßnahmen: Diederichs verlangt Einbeziehung des Landtages

Donnerstag
29.10.2020, 20:32 Uhr
Autor:
nis
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„Verwandelt die Corona-Krise die Demokratie in Deutschland?“, fragt der Landtagsabgeordnete Jens Diederichs (Freie Wähler). Dieser Eindruck entsteht nach seiner Auffassung jedenfalls angesichts der weitreichenden Entscheidungen einer 17-köpfigen Politikerelite zur Eindämmung der Corona-Pandemie. 16 Länderchefs und eine Kanzlerin setzen sich über sämtliche Bürgerschaften, Landtage und den Bundestag hinweg, wenn sie keine Debatten und Abstimmungen ihrer Vorschläge mehr zulassen...

In diesem Moment werden sämtliche Abgeordneten zu Statisten degradiert. So wird Deutschland zwar schleichend, doch unweigerlich in eine Zeit manövriert, die wir vor 30 Jahren hierzulande überwunden geglaubt hatten. Dieser Entwicklung sollte deutlich entgegengewirkt werden, meint Diederichs.

Weiter sagt der Abgeordnete, der auch Kreisvorsitzender der Freien Wähler von Mansfeld-Südharz ist: „Es ist nicht länger zu tolerieren, dass Parlamente auf Bundes- und Landesebene dauerhaft entmachtet werden. Wesentliches Merkmal der Demokratie ist die Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Ausführung und Rechtsprechung. Sie darf in Kriegs-und Notstandszeiten aufgehoben werden. Es gibt aber keinen Notstand, der die gewählten Volksvertreter auf Bundes- und Landesebene oder im kommunalen Bereich entmachten würde.“

Eine Telefonkonferenz mit der Kanzlerin ersetze nicht die öffentliche Diskussion in den Parlamenten. Zudem sei auch nicht gewährleistet, dass alle Interessen der Bevölkerung berücksichtigt werden, so Diederichs. Er fordert deshalb Parlamentsbeschlüsse und zielgenaue Maßnahmen gegen die tatsächlichen Verbreitungsherde.

Selbst Mediziner und Ärzte sprechen sich gegen das Herunterfahren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens aus. Diederichs: „Der Rückgang der Fallzahlen ist politisch zwar eine dringende Aufgabe, darf aber nicht um jeden Preis erzwungen werden.“

Die Maßnahmen zur Eindämmung der ersten Welle der Corona-Pandemie zwischen März und Mai 2020 wurden von der Bevölkerung weitgehend akzeptiert. Es sei zu hoffen, dass solche Maßnahmen bei einer erneuten gefährlichen Entwicklung der Pandemie ebenfalls akzeptiert werden, sagt der Abgeordnete. Und weiter: „Allerdings ist unübersehbar, dass in der Bevölkerung die Zweifel an Maßnahmen wachsen, die die Exekutive an der Legislative vorbei beschlossen hat und mithilfe der Judikative durchsetzen will (oder im äußersten Fall durchsetzen muss). Deutlicher können die 16 Länderchefs und die Kanzlerin nicht zeigen, für wie entbehrlich sie die Parlamente halten, deren Mitglieder sie in dieser für viele Menschen so existentiellen Zeit zu reinen Statisten degradieren. Die gewählten Abgeordneten werden in unerträglicher Weise zum Nichtstun verurteilt.“
Jochen Miche