nnz-Interview:

"Chance gehabt, Chance vertan!"

Donnerstag
17.09.2020, 17:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Am Samstag treffen sich in Erfurt die Delegierten zum Landesparteitag der Thüringer CDU. Mit dabei ist auch Stefan Nüßle, der Ortschef der Nordhäuser Christdemokraten. Mit ihm haben wir uns unterhalten...

nnz: Herr Nüßle, Sie sind nicht das erste Mal als Delegierter bei einem Parteitag dabei. Doch irgendwie scheint die Atmosphäre im Vorfeld nicht besonders gemütlich zu sein?

Stefan Nüßle: Ich bin seit 1994 Mitglied der CDU und ich weiß, dass in einer demokratischen Partei wie der Union es immer und gerade im Vorfeld von Vorstandswahlen darauf ankam, Mehrheiten zu gewinnen. Mitunter spricht man von "Mehrheiten organisieren". Auch die Thüringer CDU war immer schon von Lagerdenken geprägt, was eigentlich nicht sonderlich schlimm ist. Man kann solche Linien bei Personen wie Althaus, Vogel, Lieberknecht, Mohring und jetzt aktuell Voigt beobachten.

Stefan Nüßle (Foto: privat) Stefan Nüßle (Foto: privat)
nnz: Was aber ist jetzt anders?

Stefan Nüßle: Es ist der offen ausgetragene Umgang mit Personen, konkret mit der von Mike Mohring. Wie aktuell führende Christdemokraten im Freistaat mit Herrn Mohring umgehen, das empfinde ich sehr unanständig und unwürdig. Sicher, er hat Fehler gemacht, aber er führte die Partei in einer Zeit, die ihre Mitglieder im Freistaat nicht kannten, nämlich in der Rolle der Opposition. Und ich finde, dass er diese Rolle gut gestaltet hatte. Vor allem aber: er hat verstanden, die CDU in Thüringen zu einen.

nnz: Und die anderen, zum Beispiel Mitglieder der Landtagsfraktion?

Stefan Nüßle: Außer die Namen Walk, Tischner oder Primas hatte sich niemand der fachpolitischen Fraktionssprecher in unserem Landkreis blicken lassen. Es interessierte einfach nicht, wie das Land tickt, welche Probleme es an der Basis unserer Partei gibt.

nnz: Noch einmal zu Mohring. Was hat ihn denn ausgezeichnet?

Stefan Nüßle: Er hat immer versucht und es durchaus geschafft, die immer schon vorhandenen Gegenspieler wie Christian Carius oder Mario Voigt einzubinden. Aber: gerade diese beiden Personen haben sich ihrem Chef gegenüber nicht loyal verhalten. Intern kann im Landesvorstand natürlich konträr diskutiert werden, doch nach außen muss einheitlich aufgetreten werden. Das hat die CDU immer ausgezeichnet und das habe ich in den zurückliegenden Jahren mehr und mehr in Erfurt vermisst.

nnz: Mit der Konsequenz...

Stefan Nüßle: ... dass die Thüringer CDU so gespalten wie nie zuvor ist. Die aktuelle Führung hat es nicht verstanden, politische und menschliche Brücken zu bauen. Nicht zu Mike Mohring und nicht zu den Personen, die sich nicht auf die Seite von Mario Voigt oder zum Beispiel Christian Hirte gestellt haben. Die wurden und werden einfach abserviert.

mmz: Gibt es da Beispiele?

Stefan Nüßle: Martina Schweinsburg, die Landrätin des Landkreises Greiz, kandidiert nicht mehr für den Landesvorstand. Ihre Gründe sind bekannt. Für sie soll der Oberbürgermeister von Suhl, André Knapp, dem neuen Vorstand angehören. Das scheint aber nicht gewollt zu sein, obwohl das Kommunale zu einem Wesensmerkmal christdemokratischer Politik gehört. Auch eine Beate Meißner halte ich für die Funktion einer stellvertretenden Landesvorsitzenden nicht geeignet. Sie gehört da nicht hin, weil ich auch ihr die Eigenschaft des Brückenbauens nicht zutraue.

nnz: Was erwarten Sie also vom Parteitag in der Erfurter Messe?

Stefan Nüßle: Ich erwarte klare Zeichen einer Einigkeit in unserer Partei, vor allem im Landesvorstand. Diese Einheit muss auch und in erster Linie natürlich inhaltlich und programmatisch, aber eben auch personell zu sehen sein. Wir brauchen keine austauschbaren Gesichter, wir brauchen keine Karrieristen, sondern politische Talente, Politiker, die wissen, wie Otto-Normal-Mitglied tickt und Menschen, die Ecken und Kanten haben, die aber begeistern können und nicht nur funktionieren. Die aber auch klare Ansagen machen, wofür die CDU in Thüringen steht. Mehrheitsbeschaffer für Rot-Rot-Grün kann und darf die CDU nicht sein und nicht bleiben.

nnz: Wir danken für das Gespräch.

Mit Stefan Nüßle sprach Peter-Stefan Greiner