Arbeit am „Harzer Hexenreich“ kann beginnen

Turm der großen Erwartungen

Freitag
03.07.2020, 06:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Der Landkreis Nordhausen will in Sachen Tourismus mit dem „Harzer Hexenreich“ den großen Wurf wagen. Eine erste Etappe konnte man heute abschließen, aus Erfurt gab es einen „kleinen Scheck mit großen Zahlen“ für das ambitionierte Projekt…

Ansicht der Aussichtsplattform (Foto: Pressestelle Landratsamt Nordhausen) Ansicht der Aussichtsplattform (Foto: Pressestelle Landratsamt Nordhausen)

Hinter der alten NVA-Kaserne bei Rothesütte rauscht der Wind durch den Wald. Von dem touristischen „Hotspot“ der einmal viele Besucher anlocken soll, ist noch nichts zu sehen, dass „Harzer Hexenreich“ existiert im Moment nur auf dem Papier und den Köpfen der Planer. Auf 35 Metern Höhe soll sich einmal großen und kleinen Gästen ein wunderbarer Ausblick über den Südharz bieten.

Um mit den etablierten Besuchermagneten im Harz mitzuhalten reicht eine Aussichtsplattform alleine freilich nicht aus. Eine digitaler Erlebnisraum im Erdgeschoss, barrierefreier Zugang, eine Rutsche auf 13 Metern Höhe und ein beheizbarer Veranstaltungsraum mit Rundumblick an der Spitze des Turms sollen das Angebot innerhalb des stilisierten Hexenbesens ergänzen. Um die Landmarke herum soll sich in Zukunft ein Abenteuerspielplatz mit einem guten Dutzend Stationen durch den Wald schlängeln und zum erkunden einladen, die ehemalige Kaserne wird für Übernachtungen und Familienfeierlichkeiten hergerichtet, die Wanderwege in die weitere Umgebung um- und ausgebaut und ein wenig gastronomische Verpflegung darf auch nicht fehlen.

Bis jetzt existiert das "Harzer Hexenreich" nur auf dem Papier und in den Köpfen der Planer (Foto: agl) Bis jetzt existiert das "Harzer Hexenreich" nur auf dem Papier und in den Köpfen der Planer (Foto: agl)

Die Idee hat Charme. Touristische Destinationen, insbesondere für Familien, wie sie die Rappbodetalsperre und die Bergwelt Thale über die Jahre geworden sind, fehlen im Thüringer Teil des Harzes. Der Standort im nördlichsten Zipfel des Freistaates bietet sich an, meint Landrat Jendricke: rund fünf Kilometer sind es bis nach Sophienhof mit seiner Ziegenalm und der Haltestelle der Harzquerbahn, vier bis nach Benneckenstein und die ehemalige Deutsch-deutsche Grenze, das Drei-Länder-Eck und das „Grüne Band“ als nationaler Rad- und Wanderweg sind mit gut 1,5 Kilometern Entfernung ebenfalls in komfortabler Nähe und von da aus geht es weiter nach Hohegeiß.

Mit ihren Ideen konnten die Nordhäuser offensichtlich auch in Erfurt überzeugen ohne auf größere Widerstände zutreffen. Nach gut zwei Jahren Planung freute man sich heute denn auch über das Ende der „ersten Etappe“: Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee übergab einen „kleinen Scheck mit großen Zahlen“. Der Freistaat fördert das „Hexenreich“ mit rund 6,2 Millionen Euro und einem Föderanteil von 90%, ein „Spitzenwert“, wie Tiefensee anmerkt. Die Idee der Nordhäuser orientiere sich eng am Tourismuskonzept des Landes, das Geld sei gut angelegt und werde die Wanderregion Harz unterstützen.

v.l.: Landtagspräsidentin Birgit Keller, Minister Wolfgang Tiefensee, Landrat Matthias Jendricke und Gunnar Reuter, Chef der Service-Gesellschaft (Foto: agl) v.l.: Landtagspräsidentin Birgit Keller, Minister Wolfgang Tiefensee, Landrat Matthias Jendricke und Gunnar Reuter, Chef der Service-Gesellschaft (Foto: agl)

Der Fototermin in Rothesütte steht am vorläufigen Ende einer langen Geschichte. Schon 2012 habe man über die Initiative „Drei Länder - ein Harz“ diskutiert, erinnert sich Landtagspräsidentin Birgit Keller, damals noch Landrätin des Kreises Nordhausen. Die Region habe viele Jahre darum gekämpft, ihre eigene Identität zu pflegen und in die Zukunft zu tragen, sagte Keller heute und bedankte sich für die Unterstützung aus Erfurt.

Die Umsetzung des Projektes liegt beim Landkreis, genauer der Service-Gesellschaft, der nach dem Humboldt-Gymnasium und dem Albert-Kuntz-Sportpark mit dem „Hexenreich“ das nächste Großprojekt ins Haus steht. Die „Service“ hat, was Bauprojekte anbelangt, in den letzten Jahren sicher einige Erfahrungen gesammelt, dennoch schwingt in den Worten des Geschäftsführers Gunnar Reuter heute ein Maß an Respekt vor der Aufgabe mit, dass man so sonst nicht hört. Man stehe vor einer „großen Herausforderung“, werde dem Bau „mit Ehrfurcht“ begegnen und wolle für „größtmögliche Kostensicherheit“ sorgen.

Der Turmbau zu Rothesütte wird keine triviale Alltäglichkeit, soviel scheint sicher. „Das macht man nur einmal im Leben“, sagt Statiker Christian Tölle vom gleichnamigen Ingenieurbüro, „das wird meine Golden Gate Bridge“. Der Baugrund sei gut, man müsse nur ein bisschen kratzen und sei schon auf dem Felsen, erklärt der Ingenieur, das gibt Standfestigkeit. Dennoch wird das Betonfundament wohl einen Meter mächtig werden müssen. Die in sich verdrehte Metallkonstruktion aus Corten-Stahl darf bei windigem Wetter im „Kopf“ nicht zu stark schwingen, darf aber auch nicht zu fest sein und muss ein gewisses „Spiel“ in luftiger Höhe erlauben. Die Grundkonstruktion hat Tölle mehrfach durchgerechnet, in den Detailfragen wird er sich in den kommenden Wochen und Monaten noch weiter austoben dürfen.

Jessica Piper, Vorsitzende des Toursimusverbandes Südharz-Kyffhäuser und Diana Moraweck vom Büro LA21 machen sich derweil Gedanken um die Außengestaltung und die weiteren Freizeitangebote. Die Idee mit dem „größten Hexenbesen der Welt“ hat man Frau Piper zu verdanken, die auch die ersten bürokratischen Hürden des deutschen Antragswesens nahm. Frau Moraweck hat mit ihren Kollegen den Abenteuerpfad im Märchenwald erdacht. Den beiden schweben so manche Ideen vor, die zur Eröffnung vielleicht noch nicht umgesetzt sind. „Touristische Ziele wie die Rappbode-Talsperre oder der Baumkronenpfad im Hainich wachsen langsam über die Jahre und so wird das hier wahrscheinlich auch sein“, sagt Piper. Im Erdgeschoss des Turms sollen Besucher eine digitale Erlebniswelten vorfinden, die mittels Virtual Realtiy dem heranwachsenden Publikum etwas bieten will. Denkbar wäre zum Beispiel ein virtueller Flug auf dem Hexenbesen bis zum Brocken. Auch im Außengelände will man digitale Möglichkeiten schaffen, die per Handy und passender App zugänglich sein sollen.

Der emsige Besucherstrom, den man sich im Landratsamt erhofft und der auch in die weitere Region ausstrahlen soll, liegt noch in weiter Ferne (so er sich denn manifestieren sollte). Erst einmal muss gebaut werden. Auf dem Papier klingen die Ideen gut, gerade für Tagesausflügler aus der Umgebung. Ob das „Hexenreich“ auch Harztouristen aus Nah und Fern locken kann, wird sich erst noch zeigen müssen.
Angelo Glashagel